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Ohne Entscheidungskraft bist du kein Projektmanager – sondern nur ein Beifahrer

  • Autorenbild: Frederick King
    Frederick King
  • 12. Aug.
  • 6 Min. Lesezeit

1. Projektmanager oder Beifahrer? – Die Frage, die alles entscheidet


Die Frage klingt provokant – und ist es auch: Gestaltest du als Projektmanager aktiv den Kurs, oder lässt du dich treiben? Die Beifahrerrolle zeigt sich oft subtil – das ständige Warten auf Freigaben, das Verschieben von Verantwortung an „höhere Stellen“ oder das Verstecken hinter Prozessen und Gremien. Das Problem: Diese Haltung lähmt Projekte.


Der Entscheider nutzt dagegen jeden Spielraum. Er wägt ab, trifft Entscheidungen innerhalb seines Mandats schnell und konsequent. Er sorgt bei allen anderen Themen für eine saubere und gut vorbereitete Eskalationen.


Wer nicht entscheidet, entscheidet sich trotzdem – nur eben für Stillstand im Projekt.



2. Warum Entscheidungen das Lebensblut von Projekten sind


In Projekten ist Zeit ein kostbares Gut. Verzögerte Entscheidungen bedeuten nicht nur Terminverschiebungen, sondern auch steigende Kosten/ Budgets und sinkende Motivation im Team. Entscheidungen bringen Klarheit und Priorität – beides unerlässlich, im Projektalltag.


Auch eine nicht vollständig abgesicherte Entscheidung kann mehr Fortschritt bringen als langes Zögern. Projekte sind dynamisch, und viele Entscheidungen lassen sich bei Bedarf nachjustieren und notfalls korrigieren. Warten hingegen blockiert Ressourcen, bremst den Fortschritt und frustriert das Projektteam.


Praxisbeispiel: In einem Digitalisierungsprojekt wartete das Team drei Wochen auf die finale Umsetzungsfreigabe. Die Zeit wurde mit Diskussionen gefüllt, statt in die Umsetzung zu investieren. Eine Zwischenentscheidung hätte die Arbeit fortgesetzt und Anpassungen später ermöglicht.



3. Die Verantwortung des Projektmanagers – was dazugehört


Verantwortung übernehmen bedeutet weit mehr, als nur Aufgaben zu koordinieren und Fristen im Blick zu behalten. Es heißt, bewusst Entscheidungen zu treffen – auch dann, wenn sie unbequem sind – und die Initiative zu ergreifen, statt passiv zu reagieren. Innerhalb des eigenen Mandats muss ein Projektmanager zügig handeln, Risiken abwägen und Entscheidungen so treffen, dass das Projekt vorankommt.


Geht ein Thema über diesen Verantwortungsbereich des Projektmanagers hinaus, ist es seine Aufgabe, es strukturiert und faktenbasiert zu eskalieren. So wird aus einem bloßen Hinweis ein Entscheidungsdokument, das ohne weitere Verzögerung umsetzbar ist.


Praxisbeispiel: Budgetüberschreitungen erkennen und innerhalb der eigenen Befugnisse gegensteuern und bspw. umverteilen. Ist mehr notwendig, wird eine fundierte Entscheidungsgrundlage für den Lenkungsausschuss erstellt – inklusive Optionen, Vor- und Nachteilen und einer klaren Empfehlung.



4. Die Kunst des Eskalierens


Eskalieren ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern ein Zeichen von Professionalität und Verantwortungsbewusstsein. Es bedeutet, nicht einfach Probleme weiterzureichen, sondern sie so klar, strukturiert und lösungsorientiert aufzubereiten, sodass die Entscheidungsträger sofort entscheidungs- und somit handlungsfähig sind.


Ein gut eskaliertes Thema enthält eine präzise Problembeschreibung, relevante Daten, Fakten und Analysen, mögliche Handlungsoptionen, deren Vor- und Nachteile sowie eine fundierte Empfehlung des Projektmanagers. So wird die Eskalation nicht als Belastung, sondern als wertvoller Beitrag zum Projekterfolg wahrgenommen, da Stakeholder und Management umfassend abgeholt werden, um eine Entscheidung treffen zu können.


Meine Tipps:


  1. Sachlich und klar formulieren – ohne Dramatik, dafür mit Zahlen, Daten, Fakten und Analysen. Um eine Informationsflut zu vermeiden, können viele dieser Aspekte in den Anhang wandern.


  2. Relevante Optionen und deren Vor- und Nachteile darstellen. Maximal sollten es zwei bis drei Optionen sein, die für das Projekt in Betracht gezogen werden, inkl. der jeweiligen Vor- und Nachteile. Manchmal hilft es daher auch die Auswirkungen der Optionen auf die Dimensionen: Zeit, Budget und Qualität zu betrachten und eine Aussage zu treffen. 


  3. Eine eigene Empfehlung als Projektmanager/ Projektteam geben, um die Handlungsrichtung zu signalisieren. Immerhin ist vermutlich niemand so tief in der Projektmaterie wie der Projektmanager oder das Projektteam.


  4. Vollständige Entscheidungsreife sicherstellen – keine offenen Fragen lassen. Dazu frage ich mich selbst gerne: Könnte ich aufgrund der vorliegenden Informationen die Entscheidung treffen oder was fehlt mir noch? In meiner praktischen Projektarbeit notiere ich mir dann meine Fragen mit einer Antwort in bspw. Word. Wenn ich dann vom Management genau diese oder eine ähnliche Frage erhalte, kann ich zielgerichtet antworten. So zeige ich allen, dass ich im Thema bin und meine Entscheidungsempfehlung durchdacht ist.


  5. Kurz und knapp muss es sein - Das Management und C-Level-Entscheider wollen keine 40-Seiten Unterlagen dazu lesen. Sie wollen es kurz, knapp und pointiert auf das Wesentliche. Natürlich kann das je nach Thema mal mehr oder weniger sein. Versuche dich aber so knapp wie möglich zu halten und lege bspw. Zahlen, Daten, Fakten und Analysen (griffbereit) in den Anhang, sodass du im Lenkungsausschuss direkt darauf zugreifen kannst, aber niemanden mit zu vielen Informationen überforderst. Tipp: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.


Beispiel: Eine Lieferverzögerung gefährdet den Projektplan. Statt das Problem nur zu melden, liefert der Projektmanager Alternativen, kalkulierte Kosten und einen Vorschlag – so wird der Lenkungsausschuss in die Lage versetzt schnell eine Entscheidung zu treffen. 



5. Typische Entscheidungsfallen


Entscheidungsfallen im Projektmanagement sind tückisch, weil sie oft unbemerkt bleiben, bis das Projekt ins Stocken gerät. Sie entstehen durch Denkfehler, organisatorische Hürden oder persönliche Unsicherheiten. Hier eine erweiterte Übersicht, die über die bekannten Klassiker hinausgeht:


  • Paralyse durch Analyse: Endlose Datensammlungen, ewige Meetings und das Streben nach absoluter Sicherheit verhindern den Start. Statt zügig zu handeln, verheddert sich der Projektmanager in Tabellen, Reports und Detailfragen, die das große Ganze aus dem Blick rücken. Typische Anzeichen: Das Projektteam fragt sich bereits, wann es endlich losgeht, und Stakeholder verlieren das Vertrauen in die Umsetzung. Ein Gegenmittel ist, sich bewusst auf die entscheidungsrelevanten Informationen zu fokussieren, klare Fristen für Analysen zu setzen und alles Weitere parallel zur Umsetzung zu klären.


  • Angst vor Fehlern: Die Sorge vor falschen Entscheidungen blockiert den Fortschritt, weil Projektmanager in der ständigen Angst leben, einen falschen Schritt zu machen und dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Statt zu handeln, wird auf „mehr Informationen“ oder „bessere Rahmenbedingungen“ gewartet, bis Chancen verpasst sind. Typische Symptome: endlose Rückversicherungen bei Stakeholdern, übermäßige Abstimmungsschleifen oder das Delegieren eigentlich klarer Entscheidungen an andere. Gegenmaßnahmen: eine gesunde Fehlerkultur im Team (und Unternehmen!) etablieren, kleine Entscheidungen bewusst als Lernschritte sehen und vor allem verstehen, dass Inaktivität oft teurer ist als eine suboptimale Entscheidung.


  • Prozess-Komfortzone: Prozesse gewissenhaft einhalten, Formulare ausfüllen und Checklisten abhaken – ohne den Projekterfolg wirklich voranzubringen. Hier wird das Regelwerk und die Dokumentation zum Selbstzweck, und der Projektnutzen gerät aus dem Blick. Typische Anzeichen: Das Team hält alle formalen Standards ein, aber Meilensteine verschieben sich trotzdem oder Probleme werden nicht gelöst. Gegenmaßnahmen: Prozesse als Hilfsmittel begreifen, nicht als Ziel; prüfen, ob die Einhaltung des Prozesses in der jeweiligen Situation tatsächlich einen Mehrwert für das Projekt bringt; bei Bedarf mutig vom Standard abweichen, um Tempo und Nutzen zu steigern.


Jede Entscheidung ist eine Hypothese, die durch Umsetzung getestet wird. Fehler sind nicht das Ende, sondern die Chance zur Korrektur und können als Chance zum Lernen gesehen werden.



6. Vom Zauderer zum Entscheider


  1. Kenne dein Mandat – und nutze es: Sei dir jederzeit darüber im Klaren, welche Entscheidungen du eigenständig treffen darfst und sollst. Unwissenheit über die eigenen Befugnisse führt zu unnötigen Verzögerungen. Ein klares Mandat gibt dir Sicherheit und Handlungsspielraum.


  2. Triff kleine Entscheidungen sofort: Gewöhne dir an, kleinere Entscheidungen ohne lange Bedenkzeit zu treffen. Das baut Entscheidungsroutine auf, stärkt dein Selbstvertrauen und beschleunigt den Projektfortschritt.


  3. Nutze Entscheidungswerkzeuge: Tools wie die Dringlichkeits-/Einflussmatrix helfen, Prioritäten objektiv zu setzen und Ressourcen auf die wichtigsten Entscheidungen zu lenken. Das verhindert, dass du dich mit Nebensächlichkeiten aufhältst.


  4. Treffe fundierte, auch wenn nicht perfekte Entscheidungen: Perfektion kostet Zeit und blockiert oft den Fortschritt. Ziel ist eine ausreichend fundierte Entscheidung, die Handlung ermöglicht und bei Bedarf angepasst werden kann.


  5. Binde Stakeholder aktiv ein: Hol dir frühzeitig Input von den relevanten Stakeholdern. Unterschiedliche Perspektiven helfen, Risiken zu erkennen, Akzeptanz zu schaffen und bessere Entscheidungen zu treffen.


Praxis-Tipp: Führe ein Entscheidungsbuch. Dort dokumentierst du jede wichtige Entscheidung, ihre Gründe, die Alternativen und die erwarteten Auswirkungen. Das schafft Transparenz für dich und deine Stakeholder, erleichtert die Nachverfolgung und dient als wertvolle Wissensbasis für zukünftige Projekte. Irgendwann brauchst du das auch nicht mehr, weil du ausreichend Erfahrungen im Projektalltag gesammelt hast.


Praxis-Tipp 2: Ich persönlich habe einen "CMA-Ordner" bei mir in Outlook. Dabei handelt es sich um meinen "Cover-my-A**"-Ordner, in dem ich E-Mails dokumentiere auf deren Basis ich Entscheidungen getroffen habe bzw. Entscheidungen für mich durch bspw. das Management getroffen wurden. Tatsächlich habe diesen einmal gebraucht und es half mir meine Entscheidung vor dem Management zu vertreten.



7. Fazit: Entscheiden ist führen


Projektmanager ohne Entscheidungskraft sind wie Kalender mit Beinen – sie verwalten Termine und To-do-Listen, aber bewegen nichts. Entscheidungen hingegen lenken Projekte, schaffen Klarheit und halten Teams auf Kurs.


Job-Titel machen Eindruck, aber setzen kein einziges Projekt um. Wer nicht entscheidet, wird nicht zum Kapitän, sondern zum Beifahrer im eigenen Projekt – und wundert sich dann, warum das Schiff woanders anlegt.

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