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Projektmanager als Sündenbock? Warum das Unternehmen oft schuld ist!

  • Autorenbild: Frederick King
    Frederick King
  • 14. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Der Sündenbock hat einen Namen: Der Projektmanager


„Das Projekt ist gescheitert – der Projektmanager war überfordert.“


Ein Satz, der in vielen Unternehmen schnell über die Lippen kommt oder zumindest implizit ausgesprochen und gedacht wird. Projekt nicht rechtzeitig fertig? Projektbudget überschritten? Kunde unzufrieden? Die Schuld wird gerne auf eine Person projiziert: den Projektmanager.


Doch was, wenn das Problem gar nicht in der Projektleitung liegt, sondern in der gesamten Organisation dahinter? In der Struktur, der Kultur, der Führung? Dieser Artikel räumt mit einem bequemen Irrtum auf – und zeigt, warum Projektmanager oft zu Unrecht zum Blitzableiter werden.


Warum Projektmanager oft den Kopf hinhalten (müssen)


Projektmanager sind in vielen Organisationen die zentrale Figur für alles: Planung, Analyse, Implementierung, Kommunikation, Qualität, Budget, Motivation – und am Ende auch für das Scheitern der Projekte. Die Erwartungen an die Projektmanager sind enorm hoch – doch gleichzeitig sind ihre Einflussmöglichkeiten erstaunlich gering.


Typische Symptome sind:


  • Projekte werden ohne ausreichende Planung und Abstimmung aufgesetzt, sodass keine Ziele, Leitplanken oder Entscheider (bspw. Projektsponsor) benannt sind.

  • Projektmanager haben oftmals keine Entscheidungskompetenz, tragen aber die volle Verantwortung für das Projekt und deren Umsetzung.

  • Stakeholder verfolgen widersprüchliche Ziele und gelegentlich nur ihre eigenen Ziele.

    Projektmanager sind von der Mitarbeit der fachlichen Linienabteilungen abhängig, haben aber häufig keine Weisungsbefugnis.

  • Projekte werden mit knappen Ressourcen in Bezug auf Mitarbeiter, Zeitvorgaben und Budgets ausgestattet. Wer kennt nicht den Spruch „Ach, das schaffen wir schon neben dem normalen Tagesgeschäft“?


Das ist ungefähr so, als wenn man der Polizei verbieten würde die Gesetze durchzusetzen bzw. keine festgelegten Gesetze hat und dennoch erwartet, dass Ruhe und Frieden im Land herrschen. Irrsinn, oder?


Die wahren Ursachen für viele Projektrisiken


Hinter vielen Projektproblemen stecken aber systemische Fehler, die mit der Organisation zu tun haben und kein individuelles Versagen.


1. Strukturelle Ambiguität

Unklare Rollen und Verantwortlichkeiten im Projekt und in der Organisation versprechen viel Abstimmungsbedarf und somit zeitliche Verzögerungen. Oftmals herrscht eine Grauzone im Projekt: Wer macht und entscheidet was? Wer trägt welche Risiken?

 

2. Interne Machtspiele und Unternehmenspolitik

Führungskräfte oder Abteilungen blockieren Entscheidungen oder unterstützen nicht die Implementierung der Projektinhalte in die Linie, um eigene Interessen zu wahren. Projekte werden zum Spielball der Unternehmenspolitik.

 

3. Fehlende Entscheidungen und Entscheider

Die involvierten Führungskräfte wollen oder können keine Entscheidungen treffen. Oftmals hat es nicht mit der Kompetenz zu tun. Aber die deutsche Fehlerkultur führt oftmals dazu, dass keine Entscheidungen mehr getroffen werden, um Fehler zu vermeiden. Insbesondere zeigt sich dies im Krisenfall bei Problemen, wenn lieber abgewartet wird.

 

4. Realitätsferne Planung

Projekte werden auf Wunschtermine getrimmt und nicht auf Basis realistischer Einschätzungen. Der Projektmanager und das Projektteam dürfen jetzt das Unmögliche möglich machen.


Reden ist Silber, Schweigen ist Gold? Gefährlich!


Die Organisation lebt in der Illusion, dass der Austausch des Projektmanagers das Problem löst. Die dahinterliegende Organisation bleibt aber weiterhin die eigentliche Ursache.


In der Folge führt das zu:

  • Frustration und Fluktuation bei Projektmanagern.

  • Wiederholten Projektscheitern (trotz Personalwechsel).

  • Verlust von Vertrauen zwischen Projektmanagern, Projektteams und den Führungskräften.


Nur wenn keiner diese Systemprobleme anspricht und etwas ändert, bleiben sie bestehen.


Es braucht Veränderung – auf allen Ebenen


Für Unternehmen und Führungskräfte:
  • Projektmanager stärken und befähigen, indem sie den benötigten Rückhalt bekommen.

  • Klare Mandate und Entscheidungsbefugnisse im Projekt etablieren. Bspw. durch die Einführung eines Steuerkreises, der Entscheidungen treffen und durchsetzen kann. Auch ein Projektsponsor aus dem Top Management kann hier helfen Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen.

  • Eskalationsmechanismen von Projektbeginn an etablieren. Dies kann durch eine entsprechende Projektstruktur sichergestellt werden, indem ein starker Steuerkreis mit den Entscheidern versehen wird und ein entsprechender Projektsponsor involviert ist.

  • Steuerkreise als Chance sehen. Oftmals werden Steuerkreise nur als Berichtswesen an die Führungskräfte verstanden. Ich sehe diese aber als Entscheidungs- und Risikoinstanz: Hier werden notwendige Entscheidungen eingeholt und Risiken (inkl. Lösungen) eskaliert.

  • Altbekannte Strukturen und Systeme in Frage stellen: Wenn Projekte immer wieder scheitern, bedarf es vielleicht einer neuen Struktur oder eines neuen Systems. Wer nichts verändert, kann auch nicht andere Ergebnisse erwarten.


Für Projektmanager:
  • Mut zu klarer Kommunikation: Probleme und Risken frühzeitig bei Entscheidern ansprechen. Dies gilt für Probleme und Risiken im Projekt selbst, aber auch für Probleme in der Organisation, die dir das Leben als Projektmanager schwer machen.

  • Stakeholder richtig managen und Entscheidungen dokumentieren: Werden im Steuerkreis keine Entscheidungen getroffen, muss man direkt nachfragen, welche Informationen notwendig sind, um die Entscheidungen zu treffen. Alle Entscheidungen und Nicht-Entscheidungen müssen daher protokolliert werden. Diese Steuerkreisprotokolle dienen deiner Sicherheit.  

  • Lösungen und Optionen aufzeigen: Führungskräfte erwarten, dass du als Projektmanager nicht nur das Problem erkennst und aufzeigst, sondern auch mögliche Lösungsoptionen analysierst und präsentierst. Hierzu zählt auch, dass du ihnen sagst, welche Entscheidungen du konkret brauchst. Dies kann im Steuerkreis des Projektes erfolgen, aber auch in bilateralen Abstimmungen, bspw. mit dem Projektsponsor oder betroffenen Abteilungsleitern. Dokumentiere diese mittels E-Mail oder schriftlichen Protokollen.

  • „Cover my Ass“ und Lessons Learned festhalten: In jedem Projekt lege ich einen E-Mail-Ordner an, in dem ich Entscheidungen und Nicht-Entscheidungen dokumentiere. Dies dient mir als externer Dienstleister dem Selbstschutz: Sobald es zu Verzögerungen kommt, kann ich nachweislich aufzeigen, weshalb dies aufgetreten sind. Zudem dokumentiere ich stets meine Lessons Learned und frage meine Kunden aktiv nach einem Feedback, um mich selbst weiterzuentwickeln.


Der Projektmanager ist kein Superheld, kann aber einer werden


Ein Projektmanager kann vieles leisten, aber er kann nicht zaubern. Wer die Rolle ernst nimmt, muss auch den Mut haben, unangenehme Themen anzusprechen. Wenn eine Organisation ein Projekt (und den Projektmanager) ernstnehmen will, zeigt es dies am besten, indem es das Projekt entsprechend ausstattet: Ressourcen, Mitarbeiter, Budget und Zeit.


Gescheiterte Projekte können als Chance gesehen werden, um bestehende Strukturen infrage zu stellen. Es sollte nicht reflexartig der Projektmanager hinterfragt werden. Es gilt daher stets die wahren Ursachen für die Probleme im Projektmanagement zu finden, sodass Projekte in Zukunft besser laufen.

 


Über den Autor, Frederick King

Hi, ich bin Frederick und Dozent für agiles Projektmanagement an der Kalaidos University of Applied Sciences in der Schweiz. Seit über einem Jahrzehnt begleite ich Unternehmen als Berater für Restrukturierungsprojekte und Transformationsprogramme – zunächst bei PwC und Porsche Consulting, seit 2020 mit meiner eigenen Unternehmensberatung www.FK-Unternehmensberatung.de Mein Fokus liegt auf praxisnaher, umsetzungsstarker Beratung mit klarem Blick für individuelle Herausforderungen.


In meinen bislang vier veröffentlichten Büchern verbinde ich Fachwissen mit greifbarer praktischer Erfahrung – für alle, die nicht nur verstehen, sondern umsetzen wollen.

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